Amtsgericht Bonn, Urteil vom 23.06.2015
- 109 C 348/14 -
Eintragung in Branchenverzeichnis: Anspruch des Gewerbetreibenden auf Schadensersatz aufgrund Vertragsschluss durch Cold Call
Unerwünschter Werbeanruf stellt rechtswidrigen Eingriff in eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar
Geht ein Gewerbetreibender aufgrund eines Cold Calls ein Vertrag über die Eintragung der Firmendaten in einem Branchenverzeichnis ein, steht dem Gewerbetreibenden ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Eintragungskosten zu. Denn der unerwünschte Werbeanruf stellt einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Bonn hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Betreiberin eines Branchenverzeichnisses klagte gegen die Inhaberin einer Glas- und Gebäudereinigung auf Zahlung von 589,05 EUR. Hintergrund dessen war ein angeblich im September 2014 beauftragter Eintrag in das Branchenverzeichnis . Die Firmeninhaberin erhieltinnerhalb weniger Minuten zwei Anrufe von einem Mitarbeiter der Branchenbuchbetreiberin. Im zweiten Telefonat, das mit Einverständnis der Firmeninhaberin aufgezeichnet wurde, ließ sich der Mitarbeiter die Auftragserteilung bestätigen. Die Firmeninhaberin weigerte sich nachfolgend zu zahlen.
Kein Anspruch auf Vergütung für Branchenbucheintrag
Das Amtsgericht Bonn entschied gegen die Branchenbuchanbieterin. Ihr habe kein Anspruch auf die Vergütung für den Branchenbucheintrag zugestanden. Denn dieser Anspruch sei jedenfalls erloschen, da der Firmeninhaberin ein entgegenstehender Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe gemäß § 823 Abs. 1 BGB zugestanden habe. Aufgrund des Cold Calls sei in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb der Firmeninhaberin rechtswidrig eingegriffen worden. Diese Rechtsgutverletzung habe sich in dem Vertragsschluss fortgesetzt.
Eingriff in eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
Da unverlangt erfolgte Werbeanrufe regelmäßig den Betriebsablauf stören, so das Amtsgericht weiter, habe ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb vorgelegen. Denn die Entgegennahme und das Auseinandersetzenmit dem unerbetenen Anruf seien mit einem zusätzlichen Arbeitsaufwand verbunden. Zwar halte sich der Aufwand in engen Grenzen. Es sei aber zu beachten, dass im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierung sowie Call-Center-Betriebe arbeitssparende Akquisemöglichkeit ohne Einschränkung des Cold Callings mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen sei.
Rechtswidrigkeit des Eingriffs
Der Eingriff in den Gewerbebetrieb sei nach Auffassung des Amtsgerichts auch rechtswidrig gewesen. Aus der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG lasse sich entnehmen, dass jede Werbung gegenüber einem Nichtverbraucher ohne dessen ausdrückliche oder mutmaßliche Einwilligung eine unzumutbare Belästigung darstellt. Im vorliegenden Fall habe weder eine ausdrückliche noch mutmaßliche Einwilligung vorgelegen.
Kein Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung in Werbeanruf
Nach Ansicht des Amtsgerichts bestehe gerade bei Werbeanrufen in denen es über die Eintragung in ein Verzeichnis oder eine Suchmaschine geht kein erweitertes Interesse. Denn insbesondere bei konkurrierenden Verzeichnissen mit geringem Marktwert sei ein Werbeanruf in aller Regel unerwünscht. Für eine mutmaßliche Einwilligung habe zudem nicht gesprochen, dass die Firma im Internet in anderen Verzeichnissen zu finden war. Andernfalls wäre die Firmeninhaberin mit erheblichen Belästigungen ausgesetzt. Auch der Umstand, dass es schließlich zu einem Vertragsschluss kam, sei unerheblich gewesen.
Vertragsschluss beruhte auch rechtswidrigen Eingriff
Aus Sicht des Amtsgerichts habe der Vertragsschluss auf den rechtswidrigen Eingriff in den Gewerbebetrieb beruht. Denn die Rechtsgutverletzung habe sich im zweiten Anruf fortgesetzt. Beide Telefonate lassen sich nicht voneinander trennen. Vielmehr habe es sich um einen einheitlichen und zusammengehörigen Vorganggehandelt.